Deutschlandradio Kultur, 15.4.2016 (Nemčija)

Slowenischer Autor Ales Steger

„Wer lauscht, hört die Dinge sprechen“

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Dem Ei, das am Pfannenrand erschlagen wird, erwächst im Tod ein Auge – Scheibenwischer werden zu Knechten in schwarzen Gummistiefeln: In seinem Gedichtband „Buch der Körper“ versucht der slowenische Lyriker Ales Steger zu ergründen, was die Dinge uns zu sagen haben.

„Wir müssen lernen, ihnen wieder zuzuhören,“ sagt der slowenische Lyriker Ales Steger über die Dinge im Deutschlandradio Kultur.  „Denn längst haben wir uns zu Herrschern über sie gemacht, leben in einer Welt, in der im Plauderton über Nebensächlichkeiten gesprochen wird, nicht aber auf das geachtet wird, das zählt: die Gegenstände.“ Oft werde der Feinsinn des Zuhörens ausgespart.  Dabei sollte man stärker auf die Welt, die einen umgibt eingehen, auch auf Tiere und Pflanzen.  Daraus entwickele sich eine ganz andere Sichtweise, die auch Gedichte oder andere Texte generieren könne. „Betrachten alleine ist ungenügend in dem Fall.“  Es sei wichtig, zu erlauschen, was einem die Umwelt sage.  „Das sind nicht immer schöne Sachen“,  sagt er und betont, dass auch das Rätseln für die Dichtung sehr wichtig sei.

Aus dem Nebel zum Schreiben

Sein Buch „Archiv der toten Seelen“ könne auch als Thriller gelesen werden, so der Autor. Es handele sich nicht um einen lyrischen Roman.  „Aber der Entstehungspunkt war eigentlich auch sehr ähnlich strukturiert.“  Er habe vor einem Theater gestanden, im Nebel vor einer Vorstellung von „Krieg und Frieden“.  Aus diesem Nebel seien Leute auf ihn zugekommen, die ins Theater gingen. Er habe die Gesichter erkannt, aber es sei fast wie in einem Rembrandt-Gemälde gewesen und er habe gespürt: „Das ist es.“ Und schon sei er in dem Prozess des Schreibens eingefangen.

Nähe zum Deutschen      

Neben seiner Autorentätigkeit arbeitet Steger als Lektor und Verleger, und er übersetzt aus dem Deutschen ins Slowenische. Gelernt hat er die Sprache von seinem Großvater, vertieft während eines mehrmonatigen Stipendiums in Berlin.

Seit zwei Jahren gehört er zu den Mitgliedern der Akademie der Künste Berlin. Einmal im Jahr arbeitet er an einem „Logbuch der Gegenwart“, in dem er zwölf Stunden lang einen Ort beschreibt, in Mexiko, Indien oder Fukushima.

In Belgrad schrieb er öffentlich vor dem Busbahnhof, den viele Flüchtlinge auf der Balkanroute ansteuerten.

Moderation: Katrin Heise

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